Interview mit Claude Haagen im Tageblatt

"Der Wille muss da sein, es auch zu machen"

Interview: Tageblatt (Wiebke Trapp)

Tageblatt: Wann erklären Sie den Wählern, dass das Regierungsziel, bis 2025 ein Fünftel der landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche auf Bio umgestellt zu haben, nicht zu halten ist? Bis jetzt sind es gerade mal rund sieben Prozent...

Claude Haagen: Jetzt hier in diesem Artikel. Das habe ich aber auch schon vor ein paar Wochen im Parlament gesagt.

Tageblatt: Artensterben, Biodiversität, Emissionen: Es besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass ein Umbau der Landwirtschaft auf Bio ein zentrales Mittel ist, den Klimawandel zu begrenzen. Warum läuft der Prozess hier im Land so schleppend?

Claude Haagen: Unsere Bauernschaft hier im Land arbeitet zu 93 Prozent konventionell, das stimmt. Schleppend? Ich sehe, dass wir flächenmäßig mit Bio in die Höhe gehen, vielleicht nicht so schnell, wie wir es gerne hätten. Aber wenn ich seit 2018 schaue, dann sind wir jährlich bei der Biofläche um zehn Prozent gewachsen. Aber das muss auch der Markt hergeben.

Tageblatt: Gibt er doch. Luxemburg ist nach Dänemark und der Schweiz das Land, das den größten Umsatz mit Bioprodukten verzeichnet.

Claude Haagen: Vom Konsument aus gesehen ist das richtig. Trotzdem fehlt der Biobranche ausreichend Marketing, Präsenz und Einigkeit. Wir versuchen, mit Pilotprojekten gegenzusteuern, um Biobetrieben zu helfen, sich am Markt zu etablieren. Bei Kantinen, an Schulen oder "Maisons relais" zum Beispiel.

Tageblatt: Das ist ein gutes Stichwort: Ist mit der Reform von Restopolis, dem Zulieferer für öffentliche Kantinen mit täglich 45.000 Gerichten, nicht eine Chance verpasst worden, Absatzmärkte zu eröffnen?

Claude Haagen: Das sehe ich nicht so. Restopolis setzt übrigens in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium immer mehr darauf, Bioprodukte zu verarbeiten. Der PAN Bio 2025 ("Plan d'action national de Promotion de l'agriculture biologique", Anm. d. Red.) sieht vor, dass bis 2025 die Hälfte der verarbeiteten Produkte aus luxemburgischer Landwirtschaft stammen sollen. Zwei Fünftel davon sollen aus biologischem Anbau und drei Fünftel aus lokaler Landwirtschaft stammen. Ich bin zuversichtlich, dass sie das Ziel erreichen werden.

Tageblatt: Bis jetzt liegen sie aber weit unter diesen Zielen...

Claude Haagen: Ja, aber sie arbeiten verstärkt mit Biobauern zusammen. Außerdem wird Bio bei den jungen Leuten immer mehr nachgefragt und Restopolis kommt dem auch nach. Bei unseren Pilotprojekten haben wir im Übrigen gemerkt, dass Bio nicht wesentlich teurer ist als konventionell.

Tageblatt: Wie haben Sie das denn festgestellt?

Claude Haagen: Wir haben in diesen Pilotprojekten die Differenz beim Einkauf zwischen Bio- und konventionellen Produkten finanziell aufgefangen und wissen es daher. Das ist eine wichtige Erkenntnis.

Tageblatt: Luxemburg muss doch aber schon Bioprodukte importieren, um die Nachfrage befriedigen zu können...

Claude Haagen: Luxemburg muss auch konventionelle Produkte importieren. Wenn die Nachfrage und der Umsatz so heftig sind, müsste es keine Bedenken geben, umzustellen. Das ist aber nicht der Fall.

Tageblatt: Liegt es vielleicht daran, dass viele Bauern Einkommensverluste bei der Umstellung fürchten?

Claude Haagen: Es gibt Umstellungsprämien und Bioprämien. Wir sind eines von den Ländern in Europa mit den höchsten Beihilfen in diesem Bereich. Fakt ist, obwohl wir eine große Nachfrage haben und einen vergleichsweisen hohen Umsatz bei Bioprodukten, geht der Konsument noch nicht 100-prozentig auf den Weg. Das bedauere ich. Deswegen machen wir ja an den Schulen, Crèchen oder Altersheimen die Aufklärungsarbeit, damit das nach und nach zunimmt.

Tageblatt: Woran liegt es dann, dass momentan gerade einmal 50 Betriebe in der Umstellung sind?

Claude Haagen: Es ist immer noch in den Köpfen der Leute, dass Bioprodukte viel teurer sind als konventionell hergestellte Produkte. Zum anderen ist der Markt sowohl bei der Produktion als auch bei der Nachfrage volatil und schwankt. Da hat der Ukraine-Krieg viele Unsicherheiten geschaffen.

Tageblatt: Wie groß ist der Spagat, den Sie beim neuen Agrargesetz machen mussten zwischen konventionellen Bauern und den Interessen der Biolandwirte?

Claude Haagen: Da können Sie mich auch nach dem Spagat zwischen Landwirten und Winzern fragen. Das Ganze ist ja ein Sektor, der über die europäische Agrarpolitik in Brüssel gesteuert wird. Natürlich habe ich mit allen Akteuren gesprochen. Wir müssen ein Agrargesetz machen, das der Realität Rechnung trägt und einer Zukunft für diese Berufe entspricht. Ich will nichts versprechen, was ich nicht halten kann. Außerdem ist das Agrargesetz das einzige Gesetz, was alle fünf Jahre angepasst wird.

Tageblatt: Das gefällt Ihnen nicht?

Claude Haagen: Ich fände es sinnvoll, auf europäischem Niveau mal eine Pause einzulegen. Dann kann man mal prüfen, ob die Maßnahmen, die vorgesehen sind, greifen. Wo muss nachgebessert werden, was funktioniert gut - auch mit Blick auf die Nachbarländer. Wenn es einen Fehler gibt, dann ist das todsicher die Tatsache, dass die Bürokratie vereinfacht gehört. Dann können die Betroffenen beraten und nicht nur informiert werden. Das ist vor allem für die Jungbauern wichtig.

Tageblatt: Manch einer fordert, dass Biolandwirtschaft finanziell so interessant werden muss, dass konventionell zu arbeiten nicht mehr attraktiv ist. Ist das im neuen Agrargesetz berücksichtigt?

Claude Haagen: Ja. Es muss aber der Wille da sein, es auch zu machen. Tatsache ist, dass die unsicheren Zeiten momentan eine Neigung zum Umstellen wenig fördern. Das gilt auch für Investitionen.

Tageblatt: Ihr Ministerium gilt bei NGOs und Verbänden aus dem Natur- und Umweltschutz als "biofeindlich". Was sagen Sie dazu?

Claude Haagen: Das ist Quatsch. Wir machen ganz viel in diesem Bereich und haben sogar unser Personal dafür verstärkt. Wir bieten sogar Schulungen für die Gemeinden an, um an ihren Schulen und "Maisons relais" Lastenhefte auszuarbeiten, die mehr Bio festlegen. Die Entscheidung, auf Bio umzustellen oder Bioprodukte zu kaufen, liegt nicht im Ministerium. Am liebsten hätte ich, dass in der Landwirtschaftskammer die konventionellen mit den Biobauern zusammenarbeiten anstatt sich zu "bekriegen".

Tageblatt: Luxemburg hat als einziges europäisches Land Glyphosat verboten. Die "Cour administrative" hierzulande hat das Verbot kürzlich gekippt. Warum verbieten Sie als Landwirtschaftsminister das nicht gleich wieder?

Claude Haagen: Wenn das so einfach wäre... Das ist ein höchstrichterliches Urteil und nach spätestens zwei Wochen, schätze ich, haben wir wieder die gleiche Situation wie jetzt. Das Urteil war ja schon aufgrund eines Berufungsprozesses gefallen.

Tageblatt: Und jetzt?

Claude Haagen: Wir müssen "besondere ökologische oder landwirtschaftliche Merkmale" im Land nachweisen, die das nationale Verbot rechtfertigen. Solange der Wirkstoff EU-weit weiterhin zugelassen ist, gibt es keinen sachlichen Grund für eine nationale Sonderregelung. Das war die Argumentation der Richter. Im neuen Agrargesetz sind aber hierzulande Prämien vorgesehen, wenn Bauern dieses Mittel nicht einsetzen.

Tageblatt: Der nächste Schritt?

Claude Haagen: Glyphosat ist nur bis zum 15. Dezember EU-weit zugelassen. Dann wird neu entschieden. Bis dahin liegt die Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor, die die Risiken von Glyphosat auf Menschen, Tiere und Umwelt prüft. Wir haben selbst eine eigene Studie dazu in Auftrag gegeben. Beides warten wir ab.

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