Interview mit Romain Schneider im Letzeburger Bauer

„Stets bereichernde Gespräche”

Interview De Letzeburger Bauer (Laurent Schüssler)

De Letzeburger Bauer: Herr Minister, ist der Luxemburger Strategieplan gut in Brüssel angekommen?

Romain Schneider: Nein, er ist noch nicht bei der EU-Kommission eingereicht worden. Meine Verwaltungen sind aktuell bei den letzten abschließenden Arbeiten. Es war eine große Herausforderung in den vergangenen Monaten und daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich ausdrücklich bei meinen Mitarbeitern für das Geleistete zu bedanken. Im Rahmen der Öffentlichen Konsultation haben wir zahlreiche Rückmeldungen erhalten, auch von der Zivilgesellschaft. Diese Anträge sind teils nur eine oder zwei Seiten lang, ab und an aber auch 50 bis 100. Dies alles muss analysiert werden. Der Tenor der Rückmeldungen ging in die Richtung, dass die europäischen Gelder, die nach Luxemburg fließen, optimal eingesetzt werden sollen. Der aktive Bauer übernimmt Verantwortung und soll dafür im Gegenzug unterstützt werden. Da gab es viele, teilweise sehr unterschiedliche Ideen, wie man dies bestmöglich umsetzen kann. Über verschiedene kann man nachdenken, andere sind meiner Meinung nach kaum machbar. Allerdings sind wir quasi fertig mit der Arbeit. Das Dossier wird anschließend im Regierungsrat vorgestellt und auch der neue Minister verschafft sich noch einen Überblick. Ob der Strategieplan jetzt am 31. Dezember nach Brüssel geschickt wird oder erst im Verlauf des ersten Trimesters 2022, macht an sich keinen Unterschied für die EU-Kommission. Wir liegen gut im Zeitrahmen.

De Letzeburger Bauer: Der nationale Strategieplan wird anschließend in Brüssel noch einmal von Kopf bis Fuß durchleuchtet. Muss man davon ausgehen, dass es zu zahlreichen Rückfragen beziehungsweise Änderungswünschen kommt?

Romain Schneider: Ich denke nicht. Die Abteilungen des Landwirtschaftsministeriums haben sehr gute Vorarbeit geleistet. Das beschränkt sich nicht nur auf die Arbeit in Luxemburg, sondern auch auf jene in Brüssel, wo wir Mitarbeiter haben, die ständig im Austausch mit der Europäischen Kommission stehen. Mindestens 98% unseres Strategieplans passen perfekt in die europäischen Vorgaben, wie die Fördergelder verteilt werden sollen. Persönliche Gespräche, die ich beispielsweise im Anschluss an eine rezente Podiumsdiskussion in Marnach mit Pierre Bascou von der Generaldirektion für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung geführt habe, bestätigen mich darin. Nicht zu unterschätzen ist ebenfalls die langjährige Erfahrung, die wir im Umsetzen mit einer GAP in Luxemburg besitzen. Man muss nicht jedes Mal wieder von vorne beginnen.

De Letzeburger Bauer: Können Sie nachvollziehen, dass es die Bauern so langsam leid sind mit einer Politik, die ihnen immer weitere Vorgaben zu ihrer Arbeit macht?

Romain Schneider: Ich verstehe dies zu 100%. Seit 2009 habe ich immer wieder betont, dass sich die Arbeit der Bauern, Winzer und Gärtner draußen auf dem Feld abspielt, um ein qualitativ gutes Produkt zu garantieren. Doch die administrativen Auflagen werden in der Tat immer größer. Das ist eine sehr schwierige Situation. Nicht umsonst habe ich im Agrarrat gemeinsam mit 20 weiteren europäischen Amtskollegen einen Vorschlag des französischen Landwirtschaftsministers unterstützt, auf europäischer Ebene endlich eine administrative Vereinfachung einzuleiten. Leider stoßen wir damit auf wenig Gehör bei der Kommission. Es ist beileibe nicht so, dass das Landwirtschaftsministerium die Bauern mit diesen Aufgaben drangsalieren will, doch uns sind die Hände von Brüssel aus gebunden. Mehr europäische Vorgaben bedeutet schlussendlich nicht nur mehr administrative Arbeit für die Bauer, sondern vor allem für die Mitarbeiter des Ministeriums. Wir wollen nicht im Endeffekt Gelder nach Brüssel zurückzahlen müssen, weil unsere Kontrollen unzureichend sind oder weil wir in der Umsetzung zu lasch waren.

De Letzeburger Bauer: Das hört sich ernüchternd an. Gibt es denn keinen Hoffnungsschimmer?

Romain Schneider: Als ich vor 13 Jahren erstmals Landwirtschaftsminister war, wurde bereits von Vereinfachung gesprochen. Und wo stehen wir heute? Positiv ist, dass das Gedruckte langsam verschwindet und das Digitale auf dem Vormarsch ist. Dies bringt mit sich, dass auf Anträgen nicht immer wieder das Gleiche auszufüllen ist, sondern sich zum Beispiel die Grundinformationen in einer Datenbasis befinden und für den Nutzer nur punktuelle Anpassungen nötig sind. Dies bringt eine Zeitersparnis mit sich. Dieses Data Warehouse, das bereits des Öfteren angesprochen wurde, muss endlich kommen. Es wird Erleichterungen für die Verwaltungen und für die Bauern mit sich bringen. Das ist leider der einzige Hoffnungsschimmer, den ich aktuell sehe.

De Letzeburger Bauer: Vor diesem Hintergrund scheint es schwieriger denn je, junge Menschen für den Beruf des Landwirts zu begeistern...

Romain Schneider: Die jungen Landwirte, die ich persönlich kenne, bringen alle selbst ein sehr hohes Maß an Eigenmotivation mit. Es ist zwar durch Vorgaben und Zwänge, die wir kennen, ein sehr schwieriger Beruf, gleichzeitig aber auch ein sehr erfüllender. Sie sind freie Unternehmer, die sich selbst organisieren und eigene Entscheidungen treffen können. Welches Risiko kann ich eingehen, welches sollte ich meiden? Ich denke, dass es für viele immer noch ein Traumberuf ist. Er ist und bleibt auch sehr wichtig, denn heute wie vor 100 Jahren sind es die Bauern, die an der Basis der Lebensmittelsicherheit stehen. Das gilt es zu respektieren. Nicht umsonst hat der französische Präsident Emmanuel Macron kürzlich die Lebensmittelsicherheit als eines seiner großen politischen Ziele angesprochen.

De Letzeburger Bauer: Provokativ gefragt: Sie sind also optimistisch, dass es auch in 50 Jahren noch eine Landwirtschaft in Luxemburg geben wird?

Romain Schneider: Ich bin zu 100% überzeugt, dass die Landwirtschaft weiter in Luxemburg existieren wird. Wir w erden aber eine andere Landwirtschaft haben, eine nachhaltigere. Damit meine ich nicht unbedingt Bio-Landwirtschaft. Ich bin ein Mensch, der einen Schritt nach dem anderen macht. Die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren in die richtige Richtung entwickelt, mit einem Rush in den letzten fünf Jahren zu einer nachhaltigeren Ausrichtung hin. Nun folgt der nächste Schritt mit dem Umsetzen eines Green Deals, einer Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission. Der Prozess entwickelt sich weiter. Irgendwann — ich weiß nicht, ob dies 2050 oder 2070 der Fall sein wird — werden wir das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft erreicht haben. Ob dies dann eine Bio-Landwirtschaft ist, vermag ich nicht zu sagen. Das ist möglich, muss aber nicht.

De Letzeburger Bauer: Die Nachhaltigkeit angesprochen: Fühlt sich der Landwirtschaftsminister nicht ab und zu zwischen allen Fronten, zwischen konventionellen und Bio-Bauern, zwischen Landwirten und Umweltschützern und anderen mehr?

Romain Schneider: Ich habe immer versucht, alle Akteure aus den verschiedenen Strömungen der Produktion — denn um nichts anderes geht es — im Boot zu behalten. Der eine legt den Schwerpunkt seiner Arbeit so, der andere anders, aber es bleibt alles Landwirtschaft. Niemand soll ausgeschlossen werden. Ich erinnere daran, dass ich während meines ersten Mandats als Landwirtschaftsminister an der Basis des Bio-Weinbaus an der Mosel stand. Wenn man heute die Entwicklung sieht, bemerkt man, dass diese Idee auf fruchtbaren Boden fiel. Auch in der Bio-Landwirtschaft steckt enormes Potenzial, das wir aber richtig einschätzen müssen: Was ist in der Praxis überhaupt machbar? Produzent, Handel und Konsument müssen ineinandergreifen.

De Letzeburger Bauer: Stichwort Umweltbewegungen: Zu Monatsbeginn hatten drei solcher Organisationen eine Anzeige in der Tagespresse geschaltet, der sie durch Benutzung des Logos und des Schriftzugs der Luxemburger Regierung den Anschein verliehen, es handele sich um eine offizielle Mitteilung. Wie bewerten Sie diese Aktion im Nachhinein?

Romain Schneider: Das Landwirtschaftsministerium hat noch am gleichen Tag eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der es dieses Vorgehen verurteilt. Im Anschluss daran wurde gemeinsam mit dem Staatsministerium, das verantwortlich für den Schutz des Logos der Regierung ist, eine Klage gegen die drei Auftraggeber sowie eine vierte Organisation, die dahintersteckte, beim zuständigen Staatsanwalt eingereicht. Wir dürfen eine solche Vorgehensweise nicht dulden. Das ist für mich ganz klar. Sonst schaltet morgen jemand eine Anzeige mit dem Logo eines fiktiven Ministère de la Santé durable und ruft die Menschen auf, sich nicht impfen zu lassen! Nur als Beispiel, welche Ausmaße dies annehmen kann. Jeder hat das Recht, mit etwas unzufrieden zu sein. Er hat aber nicht das Recht, das auf eine solche Weise auszudrücken. Der Ball liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Mehr Möglichkeiten habe ich nicht.

De Letzeburger Bauer: Nun gibt es sicherlich Momente, an die Sie als Landwirtschaftsminister lieber zurückdenken. Was ist Ihnen in den rund acht Jahren ihrer Amtszeit in guter Erinnerung geblieben?

Romain Schneider: In erster Linie die gute Atmosphäre im europäischen Agrarrat, in dem sehr gute Freundschaften entstanden sind. Ich habe als Landwirtschaftsminister gelernt, die europäische Agrarpolitik mit anderen Augen zu sehen als vorher. Es gibt quer durch Europa nicht nur engagierte Bauern, Winzer und Gärtner, sondern auch engagierte Agrarpolitiker. Nicht missen möchte ich auch den Austausch mit den Interessenvertretungen hierzulande, die zwar teils kritisch waren, aber immer bereichernd. Ich erinnere mich aber auch an Ereignisse, die zunächst negativ waren, sich dann aber wandelten. Als ich gerade neu im Amt des Landwirtschaftsministers war, gab es Demonstrationen der Milchbauern wegen des Preisverfalls. Gemeinsam mit dem damaligen Premierminister Jean-Claude Juncker haben wir uns mit ihnen an einen Tisch gesetzt und nach Lösungen gesucht. Daraus entstand eine Initiative, die vorbildlich ist: d'fair Mällech. Hier haben die Bauern ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. Es gibt andere lobenswerte Beispiele wie "Fro de Bauer" der Landjugend.

De Letzeburger Bauer: Welche Lehre können Sie aus dem Kontakt mit der Landwirtschaft zurückbehalten?

Romain Schneider: Während meiner zweiten Amtsperiode bemerkte ich, dass ich das Bild des Bauern in der Öffentlichkeit verbessern musste. Er war in der Gesellschaft Angriffen von allen Seiten ausgesetzt. Gemeinsam mit anderen Organisationen wie der Landwirtschaftskammer starteten wir Kampagnen, in denen wir auf die Wichtigkeit der Bauern im Prozess der Lebensmittelproduktion hinwiesen. Es ist wichtig, dass das Landwirtschaftsministerium hier die Führung übernimmt. Es lag mir am Herzen, den Bauern wieder jenen Stellenwert zurückzugeben, den sie vor 60 oder 70 Jahren besagen. Dazu bedarf es eines starken Landwirtschaftsministeriums. Aber mindestens ebenso wichtig ist, dass dies nur gemeinsam geschehen kann: zwischen Ministerium und Interessenvertretungen, aber auch innerhalb des landwirtschaftlichen Sektors.

De Letzeburger Bauer: Abschließend die Frage nach Ihrer Zukunft: Was steht nach 27 Jahren als politischer Mandatsträger als Erstes an?

Romain Schneider: Ich werde mich zunächst neu organisieren müssen. Vieles, was eine Selbstverständlichkeit war, wie ein Fahrer oder eine Sekretärin, fällt weg. Ich werde mir zum Beispiel einen PC kaufen müssen und meinen Tag selbst organisieren. Ich werde den neuen Freiraum aber auch nutzen. Ich will mich mehr bewegen: vermehrt Spazieren gehen oder Sport treiben. Mich mehr meiner Familie widmen. Ich habe endlich mehr Zeit für meine beiden Enkelkinder. Klar ist aber auch, dass ich mich zwar aus den ersten beiden Reihen der Politik zurückziehe, aber in der dritten bleiben werde. Ich habe mich angeboten, um jungen Politikern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

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